Oct 23 2010

Westweg 2010 (Teil 1)

Categories: wandern westweg .
 

Oktober. Die Zeit des goldenen Herbstes. Der Himmel blau, mit Schäfchenwolken durchsetzt. Wälder zeigen ihr buntes Herbstlaub und die Temperaturen lassen noch ein wenig den vergangenen Sommer aufleben. Sanft rauscht der flinke Bach zur Linken während eine kleine Wandergruppe mit leichten Schritt den Westweg durchschreitet. Nah am Weg bieten die lokalen Gasthöfe dem Wanderer allerlei lokale Spezialitäten an. Ein Wirklichkeit gewordener Traum.

Eigentlich nicht nur ein Traum. Wir haben es nämlich genauso erlebt. – Im ziemlich abgegriffenen Werbeprospekt der Schwarzwaldtourismus GmbH das uns der (sehr nette) Wirt der Kalten Herberge unter die Nase gehalten hat. Der Rest war irgendwie auch sehr nett, aber auch sehr sehr anders:

Los ging es Nachmittags am Freitag, 15. Oktober: Mit dem Auto kurz über die Autobahn, durchs Kinzigtal und auf dem recht großen Parkplatz beim Gasthof Wilhelmhöhe stellten wir den PKW ab und begannen los zu wandern. Über Schonach führte uns ein kurzweiliger Weg bei besten Wetter (es regnete nicht) nach Triberg zum dortigen Bahnhof. Auf dieser kleinen Wanderung fiel uns auch zum ersten mal auf, daß die Plattentektonik im Schwarzwald noch ungeheuer aktiv ist. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, daß (in dieser Reihenfolge) die Entfernung zum Bahnhof mal mit 3.6, 4.1, 2.7, 4.8 Kilometer angegeben ist. Wohlgemerkt wir haben uns in dieser Zeit stetig Richtung Bahnhof bewegt. Auch die nächsten 2 Tage waren Kilometerangaben auf Wanderschildern Öfters ein Grund zu angeregten Diskussionen, Kopfkratzen und Lachanfällen. Aber zurück zum Bahnhof. Schnell noch die Karten gekauft und wenige Minute später konnte kurz vor 18:00 Uhr das Abenteuer beginnen. Kurze Zeit später war es dann aber auch schon wieder gleich vorbei. Wir strandeten in Donau-Wörth da der Anschlusszug Verspätung hatte.

Was tun?

Es war kalt, zugig und auf der anderen Seite der Gleise lockte die Bahnhofskneipe “Büffet” (ja, mit Ü!). Klare Sache. Schnell bestellten wir uns einen Glühwein (zwar Oktober, aber es war wirklich kalt!) und kamen in Genuss der ersten Schwarzwälder Spezialität: Heiss gemachter Fusel-Rotwein mit Früchtetee-Beutel vom Aldi plus Zitrone. Interessante Interpretation von Altbekannten. Nachdem wir zu viert zusammen den ganzen Zuckerspender geleert hatten, konnte man das Zeug dann auch schon trinken.

Ein Bahnhof weiter (Neustadt) gleiches Schicksal. Kein Zug in den nächsten 70 Minuten in Aussicht. Diesmal gab\’s nicht mal ein Büffet. Was tun? Zum Glück gab es ein Taxi das uns in wenigen Minuten zum Ausgangspunkt unserer Wanderung – Hinterzarten – brachte. Dort schlugen wir dann nach 20:00 Uhr auf und tragen auf Roger der direkt von Karlsruhe mit dem Auto angereist war. Direkt am Bahnhof lud dann das “Da Vinci” zu ordentlicher italienischer Küche ein und kurz nach 22 Uhr teilten wir uns dann schon, in Erwartung der Aktivitäten des nächsten Tages, auf um in 2 verschiedenen Pensionen im Ort die Nacht zu verbringen. Pünktlich um 9:00 Uhr wollten wir uns nahe der Einstiegsstelle zum Westweg am nächsten Morgen wieder treffen.

Pünktlich 9:00 Uhr am Samstag morgen. Nahe am Westweg in Hinterzarten: Stille. Es passiert absolut nix. 30 Minuten später kommt erste Bewegung in diese Idyll: Dirk und ich erscheinen vor der Pension der 3 Anderen. Diese sind zu diesem Zeitpunkt noch munter mit Rucksack packen, Zeitung lesen, Rechnung zahlen und sich-von-den-anderen-Gästen-Verabschieben beschäftigt, so daß wir pünktlich (nach zweiter, überplanter Zeitrechnung) kurz vor 10:00 Uhr loslaufen.

Mittlerweile hat es sich auch eingeregnet und so müssen wir nach 500 grauenvoll steilen Metern erst einmal anhalten um uns entsprechend umzuziehen. Die Zeit wird gleich genutzt um die Skischanze im Ort anzuschauen, einen Plausch mit einem anderen Wanderer zu halten und mit dem Handy schnell nach Hause zu telefonieren. Georg läuft derweil etwas voraus um dem Rest der Gruppe visuell klar zu machen, dass das Wandertempo auch für einen überzeugten Kettenraucher etwas zu langsam ist. Diese Erkenntnis braucht trotz immer stärkeren Regen jedoch sehr sehr lange um auch überall einzusickern. Und so kommt es, daß wir nach geschlagenen 2 Stunden Titisee erreichen – immerhin 5 Kilometer der Tagesstrecke sind schon geschafft. Der dortige Ex-Edeka nun Nah-und-Gut Supermarkt erlebt den Ansturm seines Bestehens und relaxte 20 Minuten später ist sein Sortiment um 2 Götterspeisen (grün), 1 Baguette, 1 Aufschnittpackung Käse (gut und günstig), Bananen, sauren Gurken, Schokolade, 0.2 Liter Himbeerschnaps, 0.5 Liter rotes Fruchtschorle und diverser anderer Dinge erleichtert. Es ist jetzt 12:20 Uhr und wir haben noch lockere 21 Kilometer vor uns. Roger löffelt genüsslich die Götterspeise (grün). Die Gruppe wartet gelassen ab. Um 12:30 Uhr wird plötzlich auf einen Schlag den meisten (Roger denkt gerade über die 2. Portion Götterspeise nach und will das Pfand für das Fruchtschorle einkassieren) klar, dass es ja noch wahnsinnig weit und schon wahnsinnig spät ist.

Jetzt geht alles rasend schnell: Roger wird gemobbed (schneller essen, nein – keine zweite Portion), der Tross setzt sich hektisch und unkoordiniert in Bewegung, mein Navi findet aufgrund der wahnsinnigen Beschleunigung keinen Satelliten mehr.

Und so laufen wir ein paar Meter in die falsche Richtung. Es ist jetzt 12:40 Uhr und noch 21.5 KM bis zum Tagesziel. Weil wir Männer sind, bricht jedoch keine Panik aus. Kurz Zeit später weiss das Navi auch schon  wieder wo es lang geht und an die nächsten Kilometer kann ich mich dann nur noch unscharf erinnern (liegt wohl daran, daß ich nix gegessen aber den mitgebrachten Schnaps probegetrunken habe). Es geht wohl hoch und runter, links und rechts. Wir rennen an Bauernhöfen vorbei, sehen 14923 Ameisenhaufen und kommen erst dann wieder zum stehen als uns mit leichten Schritten die anderen Westwegler entgegenkommen. Das “entgegenkommen” liegt übrigens nicht an meiner sauschlechten Navigation sondern daran, daß Thomas in einem Anfall von Individualismus beschlossen hat den Westweg von Süden nach Norden laufen  - und nicht wie der sonstige Wanderpöbel von oben nach unten. So haben wir dann auch nur kurzen Kontakt mit den beneidenswert frischen Wanderern und fangen erst dann wieder zu jammern an, als diese außer Hörweite sind. Danach kriechen wir den Berg weiter Richtung “Weißtannen-Höhe” hoch.

Dirk und Roger laufen voraus. Dirk aufgrund einer unglaublich guten Grundkondition, Roger wohl aufgrund der petrochemischen Zusatzstoffe im Wackelpudding. Nachdem die 2 etwas zu weit den Berg hochgelaufen und zur Gruppe zurück gekehrt sind, berichten sie dem staunenden Rest von einer geschlossenen Schneedecke. Ich rechne das Gefasel der Überanstrengung und möglicherweise der Höhenluft zu, ertappe mich aber 5 Minuten später dabei wie ich meinen ersten Schneeball der Saison knete.

Bald darauf ist die Schutzhütte “Weisstannenhöhe” erreicht und Mittagessen ist angesagt. Um uns herum rieselt leise der Schnee. Was würde ich jetzt für einen leckeren Glühwein vom Büffet geben. Aber nix da. Wir verspachteln unser Mitgebrachtes und folgen 30 Minuten später weiter dem Westweg gen Norden. Da die Weisstannenhöhe der höchste Punkt war, geht es nun immer leicht bergab. Bei Thun kommen wir aus dem Wald heraus und sehen in einiger Entfernung einen Mann eine Waldschranke schliessen. Ich denke mir nix dabei. Als wir noch näher kommen, überquert dieser Mann die Strasse und läuft auf uns zu. Wir wissen wenig über die Urstämme des Schwarzwalds sind aber recht sicher, daß Kannibalismus seit einiger Zeit nicht mehr verbreitet ist. Zudem sind wir zu fünft und verfügen über ein nicht wenig beeindruckendes Taschenmesser, mit dem Thomas die ganze Mittagspause über angegeben hat. So beobachten wir völlig relaxed wie der Einheimische auf uns zu kommt und… – sich als mein Arbeitskollege entpuppt, der (ganz vergessen) ja ganz in der Nähe zu Hause ist. Was für ein Zufall.

So lernen wir Schwiegerpapa und Tochter von Christian kennen und nehmen die motivierende Info mit, daß unser geplantes Nachtlager ja ganz nett – die Pension um die Ecke aber um Klassen besser wäre. Hoch motiviert ziehen wir weiter. Jetzt geht es meist der B500 entlang und wir nähern uns immer weiter der Kalten Herberge. Die letzten Meter werden für Thomas zur echten Herausforderung. Sein Knie fängt an weh zu tun. Er schleppt sich aber trotz der Schmerzen tapfer dem Ziel entgegen. Gegen 17:30 Uhr sind wir aber alle am Gasthaus angekommen und bekommen von der netten Wirtin unsere Zimmer unter dem Dach zugewiesen. Das Abendessen ist der absolute Hammer. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass die Kalte Herberge ihr Geld mit Einmal-und-dann-nie-wieder-Gästen macht und die Qualität entsprechend schlecht ist. Weit gefehlt. Jedes der Essen war absolut klasse, absolut zu empfehlen! Gegen 22 Uhr waren wir die letzten Anwesenden im Gastraum und nach einem finalen Schlaftrunk zu ein paar Partien “Großer Dalmuti” war dann Heia angesagt. Im nächsten Blogeintrag geht’s weiter…

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